Erstmals hing es im steirischen Arnfels. Damals, im Cup-Achtelfinale 2004, wollte die Fanszene von Rapid das erste Mal der Polizei derart prominent in aller Kürze mitteilen, was sie von ihr hält. Also brachten sie das Transparent mit den vier Buchstaben am Zaun des Gästesektors an: „ACAB“, als Abkürzung für „All Cops Are Bastards“. Seit damals ist das Transparent bei jedem Spiel von Rapid zu sehen.
Nicht immer sind die Wörter derart klar. Sehr viel öfter sind sie verschlüsselt oder zumindest abgekürzt. So wird auch der 13.12. zu einem symbolträchtigen Tag. Die Ziffern 1312 sind eine Chiffre und stehen für die jeweiligen Buchstaben im Alphabet. Kein Stadtspaziergang ist möglich, ohne die vier Buchstaben – oder die vier Ziffern – zu sehen. Und auch in den Stadien avancierte der Code zur populärsten Weise, die Ablehnung gegenüber der Polizei kundzutun. In Österreich ist das nicht anders. Während die Behörden die Verwendung dieser vier Buchstaben lange Zeit ignorierten, häufen sich in den letzten drei bis vier Jahren die Anzeigen gegen Fans. Für diese ist „ACAB“ mehr als nur ein Kürzel, sie stehen stellvertretend für ihre Haltung gegenüber der Staatsgewalt.
Im Fokus der Behörden ist die Fanszene des SK Rapids – und das nicht aus Zufall. Der Spruch wird auf Doppelhaltern, Fahnen und manchmal sogar Choreographien gezeigt. Das Transparent in Arnfels war eine Reaktion auf die schwere Armverletzung eines Mitglieds der Ultras Rapid. Beim vorhergehenden Heimspiel war er von einem Polizisten mit dem Schlagstock angegriffen worden.
Die dna der kurve
Vereinzelt äußert sich der Block West auch mit mehr als nur vier Buchstaben zur Arbeit der Polizei. Nachdem im August 2009 ein Polizist den 14-jährigen Florian P. in einem Kremser Supermarkt erschoss, wurde beim folgenden Spiel in Ried ein Spruchband präsentiert. In großen Lettern stand darauf geschrieben: „Polizisten sind Mörder!“ Das Transparent der Rapidler war tags darauf auf den Titelseiten österreichischer Tageszeitungen und erstmals hatte eine polizeikritische Botschaft für die Rapid-Fans auch ein juristisches Nachspiel. Für die Hütteldorfer Fanszene ist die Aversion fixer Bestandteil der Außendarstellung und mehr als nur Folklore. „Die Ablehnung gegenüber der Polizei brannte sich über die Jahre in die DNA der Kurve ein“, sagt der damalige Vorsänger Oliver Pohle gegenüber ballesterer.at.
Seither haben sich die Probleme zwischen Fans und Polizei wegen kritischer Transparenten stark vermehrt. Es gab Strafen für das Schwenken von Fahnen, für das Hochhalten von Doppelhaltern und selbst für das Anstimmen von Gesängen. Der Vorwurf war stets derselbe: Verletzung des öffentlichen Anstands. Die Rechtshilfe Rapid kämpfte immer wieder gegen die Strafbescheide an. Zumeist wurden diese aber bestätigt. Erst kürzlich entschied das Verwaltungsgericht Wien (VwG) in zwei langwierigen Verfahren, dass es sich bei einem Transparent mit der Aufschrift „ACAB“ um eine Anstandsverletzung handle. Das VwG kommt zu dem Schluss, da die Bezeichnung einer Personengruppe als ‚Bastard‘ nicht den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit entspreche. Beatrix Hornschall, Vizepräsidentin des VwG, begründet in einer Stellungnahme, „dass es sich bei der Verwendung von ‚All Cops Are Bastards‘ und der daraus abgeleiteten Abkürzung ‚A.C.A.B.‘ in einer von der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Form nicht um Kritik, sondern um klare Beschimpfungen und damit um strafbare Verletzungen des öffentlichen Anstandes handelt.“
Milieubedingte Beurteilung
Die Rechtshilfe Rapid sieht dies anders. Mithilfe ihres Kooperationsanwalts Christian Podoschek hat diese nun gegen zwei Entscheidungen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Der Jurist vertritt die Auffassung, dass auch eine derart provokative und polemische Kritik erlaubt sein müsse, da sie in einer liberalen Gesellschaft durch Meinungsfreiheit gedeckt sei. „Ich glaube, ein gesunder demokratischer Rechtsstaat muss es aushalten, wenn jemand einen Banner hochhält, auf dem ‚ACAB‘ steht“, sagt Podoschek.
„Ein derartiges Transparent ist zwar derb und nicht sonderlich subtil und intelligent, aber es ist meiner Meinung nach nicht strafbar“, sagt Daniel Ennöckl von der Universität Wien. Der Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperte hält es für kurios und verfehlt, ein Transparent in einem Fußballstadion als Anstandsverletzung zu werten, denn eine solche sei milieubedingt zu beurteilen.
In Deutschland gibt es dazu seit 2016 eine Rechtsprechung von höchster Instanz. Das deutsche Bundesverfassungsgericht stellte 2016 fest, dass es sich dabei um keine Kollektivbeleidigung handle: „Die Kundgabe der Buchstabenkombination ‚ACAB‘ im öffentlichen Raum ist vor dem Hintergrund der Freiheit der Meinungsäußerung nicht ohne weiteres strafbar.“
Bollwerk von kleiner Statur
Auf Nachfrage von ballesterer.at war von der österreichischen Polizei bislang keine Stellungnahme zu den Geschehnissen der jüngeren Vergangenheit zu erfahren. Das Justizministerium und auch das Innenministerium (BMI) ließen die Anfragen ebenfalls unbeantwortet. Dass dem BMI Kritik an Polizisten missfällt, liegt in der Natur der Sache. Unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat sich diese abweisende Haltung noch einmal zugespitzt. Schon in seiner Antrittsrede kündigte er an, wie er damit umgehen möchte, wenn die Polizei zum Sündenbock gemacht werde. „Obwohl ich nicht besonders groß von Statur bin, werde ich wie ein Bollwerk vor unseren Polizisten und Polizistinnen stehen“, sagte Kickl. Denn immerhin würde die Exekutive dafür sorgen, dass in Österreich Recht und Ordnung herrscht.
Ein derart selbstbewusster Polizeiapparat wird an der Einstellung vieler Fußballfans nichts ändern. Für die Ultras wird die Polizei umso mehr das Feindbild Nummer eins bleiben. „ACAB“ ist längst Teil ihrer Mentalität geworden. Für Anfang Jänner wird der Bescheid des Verfassungsgerichtshofes erwartet, ob dieser für die zwei von der Rechtshilfe Rapid vorgetragenen Fälle zuständig ist oder ob er diese an den Verwaltungsgerichtshof abgibt. Sollte sich das Höchstgericht dem Sachverhalt annehmen und abschlägig entscheiden, wird es in Zukunft weiter Strafen für ACAB-Spruchbänder setzen. Auch am 13. Dezember.